Unternehmen sind im vergangenen Jahr so einfach und günstig an Kredite gekommen wie schon lange nicht mehr. Der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem scharfen Wettbewerb der Banken untereinander sei Dank.

Das ist die gute Nachricht. Aber auch hier gibt es eine Kehrseite der Medaille. Wegen billiger Kredite und der Bereitschaft der Banken Verluste zu finanzieren, konnten sich auch Unternehmen halten, die über Jahre keine Gewinne gemacht haben. Davon berichtete Creditreform in seiner Studie „Ertraglose Unternehmen in Deutschland Sommer 2018“.

 

Ohne Gewinne keine Zukunft

Betriebe können auf Dauer natürlich nur überleben, wenn sie Gewinne erwirtschaften. Dazu müssen Probleme im Unternehmen an den Wurzeln gepackt und aus dem Weg geräumt werden. Gibt es dafür keine überzeugenden Anzeichen, verlängert die Finanzierung von Verlusten nur das Leiden und Sterben. Mit schwerwiegenden Folgen. Gerade für die Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen.

Diese bekommen gewöhnlich nur Geld, wenn sie als geschäftsführende Gesellschafter mit ihrem privaten Vermögen für die Schulden des Unternehmens geradestehen. Reicht deren Vermögen nicht aus, werden auch die Angehörigen mit in die Haftung genommen. Geht die Firma dann doch in die Insolvenz, ist nicht nur dieses Vermögen, sondern der gesamte Privatbesitz verloren.

Nach meiner Erfahrung wird das in einer brenzligen Situation gerne verdrängt. Ein schneller Kredit löst vermeintlich die Probleme. Notwendige Reformen scheinen nicht mehr so wichtig.

 

Chancen überlegt nutzen

Natürlich sollten Sie die derzeit günstigen Rahmenbedingungen nutzen, um anstehende Finanzierungen in trockene Tücher zu bringen. Vorausschauende Planungen sind dafür die Grundlage: Umsatz- und Ertragsplanung, Investitions- und Finanzierungsplanung sowie eine Liquiditätsplanung.

Bevor Sie zur Bank gehen, prüfen Sie aber, inwieweit sich Ihr Unternehmen aus eigener Kraft finanzieren kann. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten.

 

Selbstfinanzierung durch einbehaltene Gewinne.

Dafür muss das Unternehmen natürlich profitabel arbeiten und die erwirtschaften Gewinne im Unternehmen reinvestieren. Das erfordert regelmäßig das eigene Angebot, die Kundenerwartungen, die Marktentwicklungen und nicht zuletzt die Abläufe im Unternehmen zu hinterfragen und anzupassen. Eigenkapital ist das finanzielle Fundament, das ein nachhaltiges Unternehmenswachstum ermöglicht. Mit einer vernünftigen Eigenkapitalquote von 25 -30% der Bilanzsumme stehen Ihnen die Türen für künftige Finanzierungen weit offen.

Und die sind für folgende Investitionen und zur Vorfinanzierung von Aufträgen wichtig und richtig.

 

Innenfinanzierung durch Kapitalfreisetzung

Einfacher und schneller klappt es mit der Innenfinanzierung gewöhnlich über die Freisetzung von gebundenem Kapital. In nahezu jedem Unternehmen finden sich Vermögenswerte, die für den Betrieb nicht zwingend notwendig sind, zumindest müssen sie dem Unternehmen nicht selbst gehören.

 

Sale-and-Lease-back

Zwar verfügen die wenigsten Unternehmen über nennenswertes Anlagevermögen, das sie nicht benötigen und bei Bedarf verkaufen könnten. Mittels Sale-and-lease-back können aber Vermögenswerte wie Immobilien, Maschinen und Anlagen, Fahrzeuge und manch anderes verkauft und sofort wieder zurückgeleast werden. Diese Art der Finanzierung ist zwar in der Regel etwas teurer als ein vergleichbarer Kredit, bringt aber eine Reihe von Vorteilen mit, die die höheren Kosten wieder wett machen. Weitere Informationen zu dieser Finanzierungsalternative finden Sie im verlinkten Beitrag.

 

Kapitalfreisetzung im Umlaufvermögen

Der Optimierung der Kapitalbindung im Umlaufvermögen, auch Working Capital Management genannt, wird gerne vernachlässigt. Während die Rentabilität von Investitionen in Maschinen und Anlagen im Vorfeld genau berechnet wird, führt die Effektivität von Umlaufvermögen ein Schattendasein. Darum ist es auch ein beliebtes Versteck für arbeitsscheues Kapital.

 

Optimierung der Vorratshaltung

Vielleicht haben sie es selbst schon so gemacht: Das benötigte Material ist gerade im Angebot, also wird mehr eingekauft als aktuell benötigt. Die Maschine ist sowieso schon gerüstet: da produzieren wir doch gleich etwas mehr als bestellt. Das senkt die Stückkosten und erhöht unseren Gewinn. Die Produktion für den Großauftrag des Kunden zieht sich über Wochen, wenn nicht Monate hin. Er ruft die einzelnen Tranchen nicht ab. Die fertigen Produkte stapeln sich im Lager. Liefern wir eben am Ende alles zusammen aus. Das spart auch noch Transportkosten.

Klingt alles vernünftig, oder? Diese Beispiele haben alle eins gemeinsam: sie binden Kapital, das an anderer Stelle fehlt. Dafür müssen dann Kredite aufgenommen werden. Ich war in Unternehmen, da verstaubten Bestände seit Jahren im Lager und waren letztendlich nicht mehr zu gebrauchen. Damit wird nicht nur die Liquidität, sondern auch die Rentabilität belastet. Solche Unternehmen verschwinden früher oder später vom Markt.

Reduzieren Sie Ihre Lagerbestände, indem Sie

  • Produkte zeitnah ausliefern,
  • nicht „auf Verdacht“ produzieren,
  • nicht ohne Not auf Vorrat einkaufen,
  • stattdessen just-in-time-Lieferungen vereinbaren.

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Konsequentes Forderungsmanagement

Ein effektives Forderungsmanagement fängt schon bei der Rechnungsstellung an. Schreiben Sie Ihre Rechnungen zeitnah, direkt nach Erledigung des Auftrags? Stellen sie bei größeren Projekten regelmäßig Zwischenrechnungen oder werden die Rechnungen erst dann geschrieben, wenn die Kassen leer sind oder gerade Zeit dafür ist?

Welche Zahlungsziele räumen Sie Ihren Kunden ein? Wenn Sie fürchten, einen Kunden zu verlieren, falls Sie dessen Forderung nach langen Zahlungszielen nicht erfüllen, wird es Zeit, sich intensiv mit dem eigenen Geschäftsmodell auseinanderzusetzen.. Wie können Sie Mehrwert schaffen, den der Interessent anderswo nicht bekommt? Jedes Unternehmen hat seine eigenen Stärken, nur sieht es die oft nicht und kann sie noch weniger kommunizieren. Machen Sie sich das bewusst, bevor Sie unverschämt lange Zahlungsziele akzeptieren. Es kann auf Dauer nicht funktionieren, wenn Produktionsunternehmen als Finanzierungsquelle ihrer Kunden herhalten müssen. Besser Sie bieten Skonti bei schneller Bezahlung an.

Gleiches gilt für das Mahnwesen. Auch wenn es Ihnen unangenehm ist, muss ausstehenden Rechnungsbeträgen schnell und konsequent nachgegangen werden. Es soll ja Firmen geben, die prinzipiell erst zahlen, wenn die Mahnung auf dem Tisch liegt. Und ist das Geld knapp, geht’s nach der Devise „wer am lautesten schreit bekommt als erstes Geld“.

Mit einem professionellen Mahnwesen stärken Sie nicht nur Ihre Zahlungsfähigkeit, sondern mindern auch das Risiko von Forderungsausfällen.

 

Forderungen verkaufen

Eine weitere Möglichkeit, das in Kundenforderungen gebundene Kapital freizusetzen, ist Factoring. Dabei kauft ein Finanzdienstleister (Factor) Forderungen vom Unternehmen an. Dieses bekommt den Gegenwert der verkauften Forderungen abzüglich Zinsen und Gebühren zum Teil sofort ausbezahlt. Der Rest wird nach Forderungseingang beglichen. Neben schneller Liquidität gibt es auch hier den positiven Effekt aus der Bilanzverkürzung (Forderungen und die dagegenstehende Finanzierung verschwinden aus der Bilanz) auf die Eigenkapitalquote (Eigenkapital in Relation zur Bilanzsumme) steigt. Allerdings ist Factoring im Allgemeinen etwas teurer als ein Kontokorrentkredit.

 

Fazit: Kredite mit Maß und Ziel fördern Wachstum

Der schnelle Zugang zu Krediten ist für Unternehmen wichtig, damit es wachsen und sich am Markt behaupten kann. Das kann und soll nicht nur mit Eigenkapital gestemmt werden. Solange die Rentabilität des Unternehmens höher ist als die zu zahlenden Kreditzinsen, erhöht der Einsatz von Fremdkapital die Rentabilität des Eigenkapitals. Diese Hebelwirkung wird als Leverage-Effekt bezeichnet. Allerdings wirkt dieser Hebel auch in die Gegenrichtung. Bei schwacher Ertragslage oder gar bei Verlusten belasten die Fremdkapitalzinsen die Unternehmensrentabilität zusätzlich und beschleunigen die Schuldenspirale.

Davon abgesehen wirken sich die Effekte der Innenfinanzierung prinzipiell positiv auf die Ratingeinstufung aus. Bei Abbau der Vorräte und Forderungen verringern sich die Aktiva  und durch das freigewordene Kapital die Verbindlichkeiten und damit die Passiva. Logischerweise steigt so der Anteil des Eigenkapitals an der Gesamtfinanzierung und damit die für die Ratingeinstufung wichtige Eigenkapitalquote.

Darüber hinaus wirken sich Verbesserungen der Kennzahlen zu Lagerbeständen (Lagerumschlagshäufigkeit = Wareneinsatz/durchschnittlicher Lagerbestand) und Forderungen (Debitorenlaufzeit = durchschnittlicher Forderungsbestand/Bruttoumsatzerlöse x 360 Tage) ebenfalls positiv auf das Bankenrating aus. Zudem schont die Innenfinanzierung Sicherheiten.

Jeder dieser Effekte stärkt die eigene Position bei den nächsten Finanzierungsverhandlungen und schafft Luft für weiteres Unternehmenswachstum.