Im vergangenen Jahr war es für die meisten Unternehmen so einfach wie selten zuvor an Bankkredite zu kommen. Und das zu historisch niedrigen Zinsen. Viele Banken hätten sogar gerne mehr Kredite an innovative Unternehmen mit tragfähigen Geschäftsmodellen vergeben. Aber die wollten offensichtlich nicht… Seitens der Banken sieht man die Ursache für die verhaltene Kreditnachfrage vor allem in einem Investitionsstau bei den Unternehmen, also dem Aufschieben von an und für sich notwendigen Investitionen.
Dieser Einschätzung können viele, auch ich, nicht folgen. Es ist vielmehr so, dass Unternehmen zur Finanzierung der Investitionen nicht mehr so stark auf Bankkredite angewiesen sind wie früher. Dafür sind vor allem zwei Entwicklungen verantwortlich:
Gewinne bleiben im Unternehmen
Die im internationalen Vergleich niedrige Eigenkapitalquote (Eigenkapital in Relation zur Bilanzsumme) des deutschen Mittelstandes war bei der Finanzierung seit jeher ein Thema. Mit Einführung von Basel II und der damit einhergehenden Formalisierung der Kreditwürdigkeitsbeurteilung mittels Ratingverfahren hat dieser Faktor zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Je niedriger die Eigenkapitalquote, desto schlechter die Ratingeinstufung und desto schwerer ist es an Kredite zu kommen.
Die Unternehmen haben darauf reagiert und an der Verbesserung ihrer Eigenkapitalquote gearbeitet. Nach einer Studie der deutschen Förderbank KfW ist die Eigenkapitalquote im Mittelstand von durchschnittlich 18 % im Jahr 2002 auf 29 % in 2013 gestiegen. Im Gegenzug ist damit der Bedarf an Krediten logischerweise gesunken.
Finanzierungsalternativen werden stärker genutzt
Zudem ist in den vergangenen Jahren die Bedeutung von liquiditätsschonenden Finanzierungsalternativen kontinuierlich gestiegen. Leasing, das Mieten von Vermögensgegenständen, und Factoring, der Verkauf von Forderungen, sind mittlerweile auch beim kleinen Mittelstand angekommen und werden zunehmend genutzt.
Dazu kommen innovative Finanzierungsmöglichkeiten wie die unterschiedlichen Ausprägungen von Crowdinvesting. Die Vielfalt dieser Plattformen und ihre unterschiedlichen Angebote sind mittlerweile kaum mehr zu überblicken. Nicht nur Startups sondern auch Unternehmen mit etabliertem Geschäftsmodell nutzen inzwischen diese Angebote, um Geld für ihre Vorhaben einzusammeln.
Vereinzelt sehe ich auch, dass sich selbst kleine Unternehmen über die Ausgabe von Anleihen oder Genussrechten Geld beschaffen wollen. Dieser Weg ist aber mit vielen Fallstricken gepflastert. Bei Verstößen gegen die Vorschriften verlangt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dass die Unternehmen das Geld unverzüglich an die Anleger zurückzahlen. Im vergangenen Jahr wurden solche Rückzahlungen mehrfach eingefordert.
Zinsänderungsrisiko tragen künftig die Unternehmen
So angenehm die derzeitige Situation für Unternehmen ist, so problematisch kann die weitere Entwicklung werden. Denn insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ist der Bankkredit nach wie vor die wichtigste Finanzierungsquelle und da stehen mit der zunehmenden Umsetzung der Vorschriften von Basel III Einschränkungen an, die richtig weh tun können.
Vor allem die Bereitschaft, Unternehmen großzügig mit langfristigen Krediten zu versorgen, war bei deutschen Banken bisher deutlich ausgeprägter als in anderen Ländern. Das könnte sich jetzt aber ändern. Künftig werden Banken vermutlich weniger langfristiger Kredite vergeben, weil sie diese auch langfristig gegenfinanzieren müssen. Unternehmen müssen dann ihre langfristigen Investitionen im Zweifelsfall durch aufeinanderfolgende kurzfristige Darlehen finanzieren. Damit haben sie keine Zinssicherheit während der Finanzierungsphase mehr. Bisher konnten die Konditionen im Regelfall für den gesamten Finanzierungszeitraum festgeschrieben werden und das Unternehmen konnte mit beständigen Zinskosten kalkulieren.
Investitionsrisiko erhöht sich für Unternehmen
Noch schwerer aber wiegt das Risiko, dass die Darlehen nicht prolongiert werden, also bei Fristablauf nicht verlängert bzw. durch ein neues Darlehen ersetzt werden. Der Restbetrag des Darlehens muss dann auf einen Schlag komplett zurückbezahlt werden. Dieses Risiko ist besonders groß, wenn es zum Prolongationszeitpunkt mal gerade nicht so gut im Unternehmen läuft. Kreditkündigungen sind auch in solch einer Situation nicht ohne weiteres möglich, aber einen neuen Kredit, und genau darum geht es ja dann, muss keine Bank genehmigen. Nicht umsonst fordert daher die altbewährte „Goldene Bilanzregel“: Langfristiges Vermögen gehört langfristig, kurzfristiges Vermögen kurzfristig finanziert.
Sonderregelung angefordert
Die Lücke, die das Verschwinden der langfristigen Bankkredite hinterlassen würde, wäre gerade für kleine und mittlere Unternehmen nur schwer zu schließen. Zum einen sind die Finanzierungsalternativen in der Regel teurer als ein Bankkredit, zum anderen ist es bei Finanzierungsformen wie Anleihen und Genussrechten notwendig, nicht nur den Finanzierungsbedarf sondern auch die Unternehmenszahlen offen zu legen. Und damit haben gerade inhabergeführte kleine und mittlere Unternehmen erfahrungsgemäß ihre Probleme.
Die Sparkassen- und Genossenschaftsverbände haben daher schon einen dringenden Appell an die Bundesregierung gerichtet, „… Basel III nur in Analogie zu den USA umzusetzen und sich ausschließlich auf systemrelevante Großbanken zu konzentrieren. Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken sollten in jedem Fall von den Basel III Vorgaben ausgenommen werden.“
Hm…Und was ist mit deren Spitzeninstituten? Hatten nicht gerade auch verschiedene Landesbanken (Sparkassen) im Zuge der Krise heftige Probleme, die letztendlich dem Steuerzahler teuer zu stehen kommen? Und sollte die DZ Bank AG als Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken – anders als andere Großbanken – nicht systemrelevant sein? Statt einzelne Banken aus der Regelung auszunehmen, sollten Kredite bis zu einer festgelegten Größe ganz außen vor gelassen werden. Damit wäre dann tatsächlich den kleinen und mittleren Unternehmen geholfen.