Vor kurzem bin ich auf „COMPEON – Das Finanzportal für den Mittelstand“ gestoßen. Unternehmen sollen hier online „maßgeschneiderte Angebote und Topkonditionen von Banken, Sparkassen und Leasinggesellschaften“ zur Auswahl bekommen.
Nachdem ich selbst lange bei Banken in der Unternehmensfinanzierung gearbeitet habe und die Regeln kenne, war ich neugierig wie das Ganze in der Praxis ablaufen soll. Deshalb habe ich die Plattform mit einer konkreten Finanzierungsanfrage getestet.
Notwendige Informationen
Ich war überrascht, dass so wenige Informationen über das Unternehmen abgefragt wurden. Als Beraterin konnte ich die Ausschreibung sogar anonym durchführen und musste nicht mal den Namen des Unternehmens nennen. Lediglich Angaben zur Umsatzgröße, Branche und Zweck der Finanzierung mussten eingegeben werden. Da die Zinsen für Unternehmenskredite ganz wesentlich von der Rating-Einstufung durch die Bank abhängen, war ich auf die Angebote gespannt.
Die Angebote
Nach Ablauf der Angebotsfrist – wir hatten sie auf drei Tage begrenzt – lagen uns wirklich mehrere Angebote von unterschiedlichen Finanzierungsinstituten vor. Die angebotenen Zinssätze lagen eng beieinander. Natürlich waren alle Angebote freibleibend. Konkret heißt das: Erst nach der üblichen Kreditwürdigkeitsprüfung wird entschieden ob und zu welchen Konditionen tatsächlich finanziert wird. Das Unternehmen muss sich daher relativ schnell entscheiden, mit welchem der Anbieter es konkrete Verhandlungen führen will. Die übrigen Anbieter sind danach nicht mehr greifbar. Ist der potenzielle Finanzierungspartner bestimmt, folgt die übliche Prozedur: Unterlagen einreichen, Fragen beantworten, weitere Unterlagen einreichen, weitere Fragen beantworten, …
Letztendlich haben wir die Finanzierung mit einer der Hausbanken abgeschlossen. Denn zum Schluss waren dort die Gesamtkonditionen (Zinsen, Sicherheiten, sonstige Bedingungen) besser als bei dem Ausschreibungsangebot mit dem anfangs so günstigen Zinssatz.
Mein Resümee
Positiv sehe ich, dass
- die Angebote ausschließlich von seriösen Finanzierungsinstituten kamen.
- bei der Ausschreibung von vornherein Finanzierungsinstitute ausgeschlossen werden können,
- die hilfsbereite telefonische Unterstützung seitens COMPEON.
Kritisch sehe ich, dass
- nur mit einem Anbieter konkrete Verhandlungen geführt werden können.
- die Angebote im Grunde nicht viel wert sind, da die Finanzierungsinstitute nicht die notwendigen Informationen über das Unternehmen bekommen, um verbindliche Finanzierungsangebote abgeben zu können.
- nach Ablauf der Dreitagesfrist nicht mehr auf die anderen Anbieter zugegangen werden kann. In dieser Frist sind aber die ersten Verhandlungen meist noch nicht abgeschlossen. Falls diese scheitern, steht das Unternehmen wieder mit leeren Händen da.
Anders als bei Krediten an festangestellte Privatpersonen lassen sich die Entscheidungsgrundlagen bei Unternehmenskrediten nicht so leicht standardisieren. Die Entscheidung hängt hier von vielen unterschiedlichen Einzelfaktoren ab, die nicht allesamt über in ein Internetformular erfasst werden können. In der jetzigen Form verschafft der Online-Vergleich allenfalls einen Überblick über die Finanzierungsinstitute, die grundsätzlich bereit sind in die Branche und das konkrete Vorhaben zu investieren.
Über die Vergabe der Kredite an die kleine Unternehmen: „Die Tatsache, dass es bei kleinen Unternehmen schwieriger ist, aussagekräftige Daten als Basis der Beurteilung zu erhalten, könnte auch die Ursache dafür sein, dass gerade die kleinen Unternehmen deutlich weniger Interesse an ihrem Rating bei den Banken zeigen. Für sie ist vor allem wichtig, ob und zu welchen Konditionen sie den gewünschten Kredit erhalten. Auch bei einer Ablehnung zeigen einige nach Angaben der Studienautoren kein Interesse an den Gründen, sondern suchen stattdessen sofort nach einer Alternative.“ http://www.marktundmittelstand.de/nachrichten/finanzierung/kleine-unternehmen-bekommen-seltener-kredite/
Hallo Herr Sontheim,
das ist richtig. Meine Erfahrung ist auch, dass einerseits Banken von sich aus viel zu selten erläutern, wie ihr Ratingergebnis zustande kommt und andererseits die Unternehmer kaum nach den Gründen der Ablehnung fragen. Aber genau das ist wichtig, weil es die Chance zu Verbesserungen bietet. Mit aussagefähigen Unterlagen können mögliche Fehlinterpretationen der der bloßen Unternehmenzahlen vermieden werden